Indoor Farming im vertikalen Garten

Von Indoorfarming und Balkon-Gemüsezucht – Selbstversorgung mit dem vertikalen Garten?

Von Pauline Weiß

Gärtnern macht glücklich. Gemüse, Kräuter und Obst selbst anbauen, ernten und verzehren noch mehr! Das geht doch nur im Garten, denkst du? Im Gegenteil, mit einem vertikalen Garten kannst du auf Balkon, Terrasse und sogar in der Wohnung essbare Pflanzen kultivieren – ganzjährig, ohne lange Transportwege und völlig biologisch. Durch raffiniertes Stapeln, geschickte Wandbefestigungen oder hängende Konstruktionen entsteht auf kleinstem Raum Platz für Beete. Von leichten Do-it-yourself-Projekten bis hin zu ausgeklügelten Systemen, die du beim Händler – und sogar bei IKEA – kaufen kannst, ist alles möglich. Schon kann es losgehen mit der Selbstversorgung vom Balkon oder dem Indoorfarming in den eigenen vier Wänden.

Was bedeutet Indoorfarming?

Indoorfarming oder auch Vertical Farming steht für die Kultivierung von Gemüse und anderen essbaren Pflanzen in der Wohnung bzw. in geschlossenen Räumen. Die Gewächse werden drinnen gesät oder gepflanzt, vermehrt und bis zur Erntereife gepflegt, ohne jemals in der freien Natur gestanden zu haben. Das Spektrum reicht vom selbst gebauten, vertikalen Gemüsegarten, in dem man indoor beispielsweise Pflücksalat oder essbare Kräuter anbaut – übrigens ideal für Einsteiger – bis hin zu komplexen Methoden wie wie Hydroponic oder Aquaponic – was der afrikanische Buntbarsch mit Gemüseanbau in Deutschland zu tun hat.

Gemüsevielfalt

Was heißt eigentlich Selbstversorgung?

Wikipedia definiert den Begriff Selbstversorgung so:
„Selbstversorgung bezeichnet eine autonome – von anderen Personen, Gemeinschaften, Institutionen oder Staaten unabhängige – Lebensführung bzw. Subsistenzweise, bei der Produzenten und Konsumenten identisch sind.“
Selbstversorger bauen also selbst die Nahrungsmittel an, die sie verzehren. Doch Selbstversorgung bedeutet mehr als nur die private Kultivierung von essbaren Pflanzen. Wie es auf Wikipedia heißt, geht es um eine Lebenseinstellung. Es geht darum autark zu leben, d. h. frei und unabhängig von der Nahrungsmittelindustrie, frei von Textilkonzernen und anderen Institutionen.
Das ist soweit klar. Doch wir fassen, wie es üblich ist, den Begriff Selbstversorgung umfassender auf und beziehen uns auf die eigene Versorgung mit Nahrungsmitteln, auch wenn wir nicht autark leben können.

Was ist möglich mit Indoorfarming und vertikalen Bepflanzungen?

Indoorfarming und vertikale Gärten tragen zum Selbstversorger-Lifestyle entscheidend bei. Doch kann man mit senkrechten Beeten, lebenden Wänden und hochkanten Begrünungssytemen tatsächlich den eigenen Bedarf an frischem Gemüse und Co decken? Was ist möglich? Und was ist eigentlich der eigene Bedarf?

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. setzt sich der eigene Bedarf aus fünf Portionen Obst und Gemüse täglich zusammen. Das sind etwa 650 g Grünes. Diese Menge privat in der eigenen Wohnung jeden Tag zu ernten – das ist ganz klar utopisch. Dafür müssen essbare Pflanzen in einem größeren Maßstab angebaut werden, in richtigen Pflanzsystemen, Gewächshäusern, mit künstlicher Beleuchtung etc. Autarkie von der Nahrungsmittelindustrie durch Gärtnern in den eigenen vier Wänden? Das wird wohl nichts. Aber mit Wandgärten, Indoorfarming und vertikalen Gemüse-, Obst- und Kräuterbeeten auf Terrasse, Balkon und Co kann jeder – vom Anfänger bis zum Profi – etwas für seine gesunde Ernährung und unsere Umwelt tun.

Auch beim Thema Selbstversorgung mit dem vertikalen Garten müssen zuerst die Rahmenbedingungen geklärt werden. Die Standortanalyse umfasst Fragen wie: Ist der Garten drinnen oder draußen? Welche Jahreszeit ist gerade? Wie sind die Lichtverhältnisse? Wie viel Zeit kannst oder willst du in die Pflege investieren? Wie viel Platz hast du generell?
Aus all diesen Faktoren ergibt sich, was möglich ist und wie groß ein potenzieller Ertrag sein kann. Basierend auf den Standortbedingungen kannst du nun ermitteln, welche Pflanzen überhaupt in deinem Balkon-, Terrassen- oder Wohnzimmergarten angebaut werden können. Wenn dir nur eine Veranda mit Nordausrichtung zur Fügung steht, wird der Ertrag deines Gartens nicht groß ausfallen. Informationen hierzu liefern dir neben den Pflanzenporträts auch die Beiträge Vertikales Grün Indoor – die richtigen Pflanzen für die Wohnung und Ideale Begrünungen für den vertikalen Balkongarten.

Indoor Farming in der hellen Jahreszeit

In deiner Wohnung kann viel mehr wachsen, als du dir vielleicht vorstellen kannst. Von Salat wie Rucola über Erdbeeren bis hin zu Paprika und Chili ist einiges machbar. Welche Pflanzen für den Innenbereich geeignet sind, kannst du in den Pflanzenporträts nachlesen. Diese essbaren Pflanzen wachsen horizontal auf der Fensterbank, vertikal in einer Ampel, in TetraPaks, als Wandbegrünung in Holzpaletten, in Blumentöpfen, im selbstgebauten Pflanzenschrank oder im Profi-Indoor-Pflanzsystem. Am besten gedeihen die Grünlinge ab April, denn dann ist es draußen wieder länger hell. Die ausgedehnten Sonnenstunden machen sich auch in der Wohnung bemerkbar und fördern das Wachstum von Zimmergemüse und Kräutern. Mit ein bisschen Geduld (und eventuell einer zusätzlichen Tageslichtlampe, siehe Beleuchtung) kannst du bald frische Radieschen auf dein Brot schneiden, deine Bolognese mit eben geerntetem Oregano und Tomaten verfeinern und deinen Nachtisch mit Minzeblättern dekorieren.

Indoor Farming in der dunklen Jahreszeit

Im Winter ist es lange dunkel – nicht nur draußen, auch in der Wohnung erhellen nur künstliche Beleuchtungen die Räume. Auch wenn Pflanzen indoor nicht unter Minusgrad leiden, fehlen ihnen doch die Sonnenenergie und ausreichendes Licht. Entweder hilfst du mit Pflanzenlampen, LEDs oder Leuchtstoffröhren mit der Lichtfarbe kaltweiß, wie das Garten Fräulein in „Indoor Gardening“ rät, nach oder du beschränkst den Anbau auf Sprossen, Microgreens, Kresse und Weizengras. Mit diesen pflegeleichten Vitaminbomben kannst du auch im Winter deine Ernährung boosten. Sprossen beispielsweise sind reich an Mineralien und Vitaminen und sind nach zwei bis drei Tagen erntereif. Weizenkörner brauchen etwa zwei Wochen, bis sie zu Weizengras herangewachsen sind und ausgepresst deinen Smoothie aufpeppen können. Für den grünen Powerdrink eignet sich auch gezogenes Grün aus verarbeitetem Gemüse. Dafür hebst du von Möhren, Kohlrabi und anderem Wurzelgemüse die oberen Teile auf, also jene, die du für das Kochen ohnehin daumenbreit entfernst. Du platzierst sie auf einer flachen Schale oder in einem tiefen Teller und gibst Wasser hinzu. An einem hellen Platz wie der Fensterbank aufbewahrt, wird der vermeintliche Abfall austreiben. Auch Microgreens – das sind junge Blätter von Gemüsepflanzen – und Kresse können in den Smoothie, in Salate oder einfach aufs Brot.

Im Selbstversuch wieder zum Wachsen gebrachte Möhren

Frisches Grün aus Möhrenabfällen

Na, neugierig geworden? Dann stöbere doch durch unsere Tipps und Tricks für raffiniertes Indoorfarming.

Outdoor vertikal gärtnern in der hellen Jahreszeit

Auf deinem Balkon kann praktisch all das wachsen, was du im Garten anbauen würdest. Grundsätzlich sind die gleichen Rahmenbedingungen zu beachten – also Sonne, Wind und Wasser. Der Unterschied liegt aber auf der Hand. Auf dem Balkon ist der Platz limitiert, doch durch die Ausnutzung der Vertikalen und Begrünung der Wände wird der geringe Raum clever genutzt.

Die Autorin Dorthe Kvist empfiehlt in ihrem Buch „Grüne Stadtoasen“ beispielsweise Stangenbohnen für Balkone. Diese liefern gute Erträge und sind platzeffizient. Von Kohlköpfen rät sie dagegen ab, da die Relation Ernteertrag und Platz, den ein einzelner Kopf einnimmt, auf einem Balkon unverhältnismäßig ist. Von Möhren und Radieschen kannst du übrigens nicht nur die Knollen ernten und verzehren. Auch ihre Blätter sind essbar und können in Salat, Pesto oder Smoothie verarbeitet werden.

Viele Gemüsepflanzen tragen schöne Blüten, so kannst du Optik und Nutzen kompromisslos verbinden. Vielleicht erinnerst du dich noch an den Geschichtsunterricht. Als die Kartoffel nach Europa kam, wurde sie für eine Zierpflanze gehalten. Gurken oder Zucchini machen sich aufgrund ihrer rankenden Eigenschaft hervorragend in vertikalen Beeten und als Sichtschutz auf der Terrasse. Zudem verwöhnen sie den Betrachter mit großartigen, teils essbaren Blüten.

Probier das vertikale Gärtnern doch einfach mal aus!

2 Gedanken zu „Indoor Farming im vertikalen Garten

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