Aquaponic

 

Aquarium und Pflanzenaufzucht ©charlie vinz

Aquaponic – was der afrikanische Buntbarsch mit Gemüseanbau in Deutschland zu tun hat

Indoorfarming mit Recyclingeffekt

Von Jana Northe

Aqua – Klar! Wasser. Doch was ich mit -ponic anfangen soll, ist mir noch schleierhaft. Auf meinen Weg zu einer geeigneten Definition verweist mich das allwissende Internetlexikon Google auf Seiten, die irgendwas mit Pflanzen zu tun haben. Nach langer Suche lande ich auf einer Website, die griechische und lateinische Wörter ins Englische übersetzt. Und da gibt es sogar einen Treffer:

“aquaponics:

Another term for hydroponics or the cultivation of plants in a nutrient solution (water) rather than in soil.“

Grob übersetzt geht es also um den Anbau von Pflanzen in einer Nährlösung anstatt im Boden.Ich verbinde das mit Indoorfarming, obwohl es einen ganz entscheidenden Unterschied gibt. Beim Aquaponic kommt die Nährstoff- und Wasserversorgung aus einem Fischbecken. Interessant.Damit klärt sich auch die Frage, was afrikanische Buntbarsche mit dem einheimischen Gemüseanbau zu tun haben. Denn die Fische sind es, die das Gemüse und den Salat mit allem, was sie brauchen, versorgen.

Vom Fisch zum Salat zum Fisch

Das kann ich mir ganz easy vorstellen. Die Fische schwimmen in ihrem Becken oder Aquarium. Gefüttert werden sie ausschließlich mit Biofutter. Die Verdauungsreste der Fische sind besonders ammoniumhaltig. Ein Biofilter, der das Fischbecken mit den Pflanzen verbindet, wandelt das Ammoniak mit Hilfe von Bakterien in Nitrit um. Das nitrithaltige Wasser verzehrt ein weiterer Bakterienstamm und es entsteht daraus Nitratwasser. Dieses gelangt über Rohre in Gewächshäuser, wo es die Wurzeln der Gemüsepflanzen umspült und mit Nährstoffen versorgt.

Das übrige Wasser fließt zurück in das Fischbecken.So entsteht fast ein geschlossener Kreislauf. Klingt plausibel. Ehrlich gesagt, beim Anschauen von YouTube Videos zog sich meine rechte Augenbraue etwas nach oben. Die erste Frage war: Schmeckt der Salat dann nicht nach Fisch oder zumindest leicht „fischig“? Tatsächlich hat der Salat jedoch einen reinen Geschmack, das sagen Anbauer und Experten. Durch das Umwandeln von Ammonium in Nitrat verliert das Wasser seinen Geruch.

Aquaponic ist nachhaltig

Die Anbauvariante Aquaponic hat viele Vorteile. 90 % Wasser kann der Landwirt sparen, wenn er statt Boden Hydrokulturen einsetzt. Das Wasser aus der Fischzucht hat alle Nährwerte, die es braucht, um die Pflanzen gesund groß zu ziehen. Auf Dünger kann der Erzeuger fast vollständig verzichten. Und auch die Abfallprodukte wie Klärschlamm, der sonst der Umwelt einen erheblichen Schaden zufügt, wird bei dieser Variante auf fast 0% reduziert.
Doch wie zukunftsfähig ist diese Art des Anbaus für den Selbstversorger? Schließlich kann er sich nicht einfach ein Aquarium in die Garage stellen, Leitungen verlegen und damit so viele Lebensmittel erzeugen, wie er für den Eigenverbrauch benötigt. Zudem: Salat braucht unter normalen Umständen fast 100 Tage, vom Samen bis zum ausgereiften Salat. Fische wie Barsche oder Raubwelse benötigen einen gewissen Raum, um sich entwickeln zu können. Sie dienen ebenfalls zur Nahrungsproduktion.
Ein Wort fällt mir spontan ein: Upcycling. Im ganz großen Stil. Doch anstatt neue Hallen und Gebäude zu bauen, bietet es sich an, jene zu nutzten, die leer stehen. Alte und verlassenen Fabrikgebäude zum Beispiel gibt es zur Genüge, auch ungenutzte Dächer. Sie liegen oft zentrumsnah oder in der unmittelbaren Nähe einer Stadt. Vermutlich würden die Baubehörden erst einmal abwinken, aber warum nicht die Ressourcen nutzen, die vorhanden sind? Vorstellen kann ich mir das dann folgendermaßen:

  • In der untersten Etage stehen die Fischbecken mit den Speisefischen.
  • Darüber wachsen Edelpilze,
  • in der dritten Etage Gemüse,
  • in der vierten Etage Früchte und
  • in der fünften Etage oder auf dem Dach Stauden, Bohnen und Tomaten.

Wissenschaftler an unterschiedlichen Universitäten, zum Beispiel in Zürich, arbeiten an verschiedenen Möglichkeiten, die Anbaumethode des Aquaponic in urbane Gegenden zu integrieren.

Die Vision

Stell dir vor, du gehst durch dein Viertel und plötzlich herrscht reges Treiben vor der alten Gaststätte, die seit 25 Jahren leer stand. Wie auf einem Markt kannst du hier Fisch, Obst, Salat und Gemüse kaufen, frisch vor Ort geerntet. Transportaufwand auf Null reduziert. Aus den Fenstern im obersten Stockwerk ranken sich Bohnenpflanzen und es riecht nach den leckersten frischen Salaten. Nicht zu glauben, oder?
Aquaponic wird in Städten keine Zukunftsmusik bleiben, da sind sich Wissenschaftler sicher. Eine ganze Stadt ausschließlich durch die Verbindung aus Fischzucht und Indoorfarming zu versorgen, wird vermutlich nicht möglich sein. Denn obwohl diese Variante viele Vorteile mit sich bringt, zum Beispiel geringe Giftstoffe durch die Abfälle der Aquakultur oder transportfrei vermarktete Lebensmittel, muss der Verbraucher auch einen deutlich höheren Preis für die Lebensmittel zahlen. Schließlich ist der Aufwand bei einer kleinen Produktionseinheit höher als bei Massenproduktion. Die Menge an Lebensmitteln, die pro Kopf in Deutschland verbraucht wird, kann nicht allein durch urbanes Aquaponic erzeugt werden.
Gesucht sind Visionäre, aber für den Anfang ist diese Methode schon ein wunderbarer Ausblick in die Zukunft.

Ein Gedanke zu „Aquaponic

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