Vertikal Gärtnern
Ab nach oben mit dem Grün
Von Caren Fuhrmann
Stadtgärtnern ist in. Alle naselang hört und liest man von Urban Gardening. Das Urbarmachen innerstädtischer Brachen, der Blumenanbau auf Grünstreifen und der temporäre Gemüseanbau in Plastekistenkolonien kommt einem dabei zuerst in den Sinn. Doch weil es in der Stadt immer enger wird, greift ein neuer Trend um sich: Vertical Gardening, das Gärtnern in der Senkrechten. Die Stadtgärten wachsen in die Höhe.
- Was bedeutet „senkrecht gärtnern“?
- Warum ist vertikales Gärtnern so beliebt?
- Was macht einen senkrechten Garten sinnvoll?
- Upcycling im Vertical Gardening
- Vertical Farming – senkrecht gärtnern in der Landwirtschaft
- Professionelle Systeme für das Senkrechtgärtnern
Was bedeutet „senkrecht gärtnern“?
Klar: Efeu, Hopfen, Wilder Wein und Stangenbohnen – alle kletternden und rankenden Pflanzen streben in die Senkrechte. Zum vertikalen Gärtnern gehören aber ebenso die Blumenampel, der Pflanzensack, die Blumenleiter und der professionelle Wandgarten. Und es beschränkt sich natürlich nicht auf die Stadt, denn auch auf dem Land lassen die Menschen ihre Pflanzen auf Balkonen, in Gärten, an Mauern und sogar innerhalb ihrer Häuser (-> Indoorfarming) senkrecht und hochgestapelt in die Höhe wachsen. Und das nicht erst seit ein paar Jahren. Ob Weinreben, Spalierobst oder Kletterrosen, seit Jahrhunderten und in den verschiedensten Kulturen werden Pflanzen mittels Rankhilfen an den Wänden oder in anderer hochkanter Weise kultiviert. → Geschichte des vertikalen Gärtnerns

Spalierobst. Foto: Pixabay
Heute ist die Zahl an kreativen Gestaltungsformen vertikalen Gärtnerns schier unbegrenzt. Ob Marke Eigenbau oder Profisystem, erlaubt ist, was gefällt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Ratgeber zum vertikalen Gärtnern inklusive Schritt-für-Schritt-Anleitungen (-> Literaturliste und -empfehlungen), und auch das Internet bietet unzählige Tutorials in Text und Bild an. Alltagsgegenstände wie Getränkekartons, PET-Flaschen, Paletten, Leitern, Gartenplanen, Fundstücke aller Art und Form – alles lässt sich zu Pflanzgefäßen für Blumen, Gemüse und Kräuter umfunktionieren. Dabei entstehen selbstgenähte Pflanztaschen, ausgefallene Hängegärten, hohe Pflanzsäulen, grün-bunte Wandbilder und vieles mehr.

Vertikales Gärtnern in einer ausrangierten Kommode
Warum ist vertikales Gärtnern so beliebt?
Wir Menschen suchen wieder zunehmend die Nähe zur Natur, besonders in Städten. Die Gründe, senkrechte Beete anzulegen, sind vielfältig. Der eine will Pflanzen zum Verzehr ernten, der andere wünscht sich ein blumiges Paradies trotz geringen Platzes. Der nächste möchte von Duftpflanzen umhüllt werden, der übernächste sich den Blicken des neugierigen Nachbarn entziehen und die fünfte dem Bienengesumm lauschen. Kinder sollen wieder wissen, woher ihr Gemüse kommt, Gesundheitsbewusste wollen frisch und biologisch essen, Tierschützer wertvollen Lebensraum schaffen, Gestresste entspannen und Kranke wieder gute Luft atmen. Geboren aus der Not begrenzter urbaner Gartenräume kreierten findige Leute daher ihr senkrechtes Grün, um möglichst viel davon auf engstem Raum zu haben.

Pflanztaschen. Foto: Pixabay
Was macht einen senkrechten Garten sinnvoll?
Grundsätzlich trägt alles Grün unmittelbar zur Klimaverbesserung bei: es erhöht den Sauerstoffanteil, verringert die CO2-Konzentration, filtert Staub und gasförmige Verunreinigungen aus der Luft. Je mehr Pflanzenarten kultiviert werden, desto größer ist der Nutzen. Gerade durch vertikale Gärten können verschiedene Gewächse angebaut und Platz optimal genutzt werden.
Wand- und Fassadenbegrünungen verschönern darüber hinaus kahle Flächen, sind Blickfang, akzentuieren Räume. Eine „grüne“ Wand ist natürliche Dämmung: sie kühlt Innenräume im Sommer und hält Wärme im Winter. Wandgärten, Balkonbepflanzung, Dachterrassen bringen uns ein Stück lebendige Natur zurück, indem sie Lebens- und Rückzugsräume für Vögel, Bienen, Schmetterlinge, Eidechsen und viele andere Lebewesen bieten., Mit der richtigen Auswahl an nährstoffreichen Vogelgehölzen und nektarbietenden Blühpflanzen trägst du einen wichtigen Teil für eine gesunde Umwelt bei. Auch mit der Balkonoase mit dreistöckiger Blumenampel, Palettengarten und Bohnenspalier. Hier sind die nachhaltigen Effekte für den Einzelnen nachprüfbar.

Rotkehlchen. Foto: Pixabay
Wie Kinder, die durch Anfassen alles erkunden, haben viele Erwachsene wieder das Bedürfnis, mit den Händen Erde zu berühren und sich beim Pflanzen mit der Natur zu verbinden. Wie entspannend ein Stündchen Nichtstun auf der Terrasse ist, untermalt durch Vogelgezwitscher und Schmetterlingsgeflatter, kann sich jeder vorstellen. Und was ist köstlicher als dabei eine frisch gepflückte, sonnenwarme Tomate zu verzehren!
Doch nicht nur ökologische Aspekte spielen beim vertikalen Grün eine Rolle. Riesige Kunstwerke entstehen weltweit als Pflanzenwände oder -säulen dank innovativer Techniken. Die kreative Gestaltung mit Pflanzen setzt nicht nur künstlerisches Know-how voraus, sondern umfangreiches biologisches Wissen. Einer der Pioniere ist Patrick Blanc, der beeindruckende Indoor-Dschungel und stadtbildprägende Fassadenbegrünungen erschaffen hat. → Grüne Architektur

Fassadengestaltung. Foto: Optigrün
Upcycling im Vertical Gardening
Laut Wikipedia ist Upcycling eine Art Recycling, bei dem „Abfallprodukte oder (scheinbar) nutzlose Stoffe in neuwertige Produkte umgewandelt“ werden. Damit reduzieren sich Rohstoffeinsatz und Produktionsaufwand für neue Produkte.
Geld spart, wer umfunktionierte Dosen, Getränkeverpackungen, Paletten, Schüsseln, PET-Flaschen kreativ für seinen hochkanten Garten verwendet → Do-it-yourself

Latschengarten. Foto: Deavita
Doch Upcycling geht auch in großem Stil, wenn ehemalige Fabrikhallen oder Container für → Vertical Farming genutzt werden. Freight Farms zum Beispiel, ein 2010 gegründetes Bostoner Unternehmen, funktioniert ehemalige Schiffscontainer in ein Kleingewächshaus um. Mit einem Hochtechnologiesystem ist es möglich, an beliebigen Standorten unabhängig von geografischen und klimatischen Verhältnissen Salate und Gemüse zu erzeugen. In den USA, Kanada und Europa werden diese Leafy Green Machine (LGM) genannten Systeme bereits eingesetzt. Auch Kimbal Musks Firma Square Roots, hat in Brooklyn/New York eine Containerkolonie stationiert, in jeder ehemaligen Schiffsfrachtkiste befindet sich eine vertikale Nahrungsmittelproduktion, die von Selbstständigen bewirtschaftet wird. Diese werden von der Firma bei der „Feldarbeit“, also der Pflanzenpflege und der Ernte, sowie dem Vertrieb der Erzeugnisse beraten. In der Zukunft werden sicher weitere Upcyclingmodelle für vertikales Gärtnern entwickelt werden.
Vertical Farming – senkrecht gärtnern in der Landwirtschaft
Stadtnah oder innerstädtisch Lebensmittel produzieren und auf kurzem Weg frisch an den Konsumenten liefern, das ist auch in dichtbesiedelten Gebieten möglich. In riesigen ehemaligen Fabrikhallen, auf Flachdächern oder in umgebauten Containern werden sie ganzjährig und saisonunabhängig in senkrechten Farmen in Hydrokultur (hydroponisch) und aquaponischem Anbau auf mehreren Etagen produziert. Vor allem in Japan boomt der Trend seit der Atomreaktorkatastrophe in Fukushima 2011, denn bei Pflanzen aus abgeschlossenen Biosystemen brauchen die Verbraucher keine Angst vor radioaktiver Strahlung haben. Die Forschung arbeitet intensiv an der Umsetzung der Idee vom Gewächshochhaus mit 30 oder 50 Etagen. Das Interesse am Ackerbau in Etagenbeeten, bei dem der Wasserverbrauch auf bis zu 1/10 der üblichen Menge reduziert und auf Pestizide vollständig verzichtet werden kann, ist international sehr groß, besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern. → Vertical Farming

Vertical Farming. Foto: Valcenteu
Professionelle Systeme für das Senkrechtgärtnern
Wem es nicht an Geld, dafür aber an Zeit, handwerklichem Geschick oder Kreativität mangelt, der ist mit einem professionellen System für das Vertical Gardening gut beraten. Es gibt zahlreiche Firmen, die kleine einbaufertige Wandsysteme für das Wohnzimmer bis hin zu Montagesystemen für große Lärmschutzwände oder meterhohe Wandbegrünungen anbieten. In einigen unserer empfohlenen Bücher und auf Webseiten werden Profisysteme vorgestellt und Firmenadressen aufgelistet. (-> Literatur und Links)
Beispiele:
- Vertiplant (Taschengärten)
- Karoo (Wandbegrünungssysteme) …
- Sky Planter von Boskke (Töpfe für Hängegärten)
- Root Pouch (Wandbegrünungstaschen)
- Wollypocket (Wandbegrünung mit Topfsystemen
- Ortisgreen (Indoor-Wandsysteme)
- Vertical Magic Garden (Modulare vertikale Begrünung)
- Naturawall (begrünbare Lärmschutzsysteme)
Ein Gedanke zu „Grundlagen des hoch Stapelns“